Körperbewusstsein bei Kindern fördern

Hast du dich auch schonmal gefragt, wie man das Körperbewusstsein bei Kindern fördern kann? Diesmal soll es in unserem Podcast darum gehen, dass jedes Kind in seinem Gehirn eine eigene Landkarte von seinem Körper hat und dass es sich körperlich selbst erfahren muss, um ein gesundes und gutes Körperbewusstsein zu entwickeln. Du erfährst, was du unbedingt lassen solltest, um den Entwicklungsprozess deines Kindes nicht unnötig zu stören oder zu unterbrechen.

Viel Spaß beim Hören wünschen dir

Miriam und Cathrin


Blogartikel zum Podcast (Im Blogartikel findest du nicht alle Informationen aus der Podcast-Episode. Daher hör doch gerne auch in den Audiobeitrag rein)

Warum man das Körperbewusstsein bei Kindern fördern sollteWarum man das Körperbewusstsein bei Kindern fördern sollte

Damit Kinder in der Zukunft zu ihrem Körper stehen, ihm gut tun, ihn gesund halten, auf seine Signale hören, sich nicht überlasten oder überschätzen braucht es ein gutes Körperbewusstsein. Denn wie sollen wie die Signale unseres ganz individuellen eigenen Körpers verstehen, wenn wir sie nicht hören oder nicht einordnen können. Wie lässt sich ein gesundes Körperbewusstsein bei Kindern fördern?  Und gibt es konkrete Übungen dafür? Darum geht es in dieser Folge. Denn ein gutes Körperbewusstsein wird auch das Selbstvertrauen deines Kindes stärken.

Jeder startet anders und hat einen anderen Körper

Und deswegen muss auch jeder in seinem eigenen Körper wichtige Erfahrungen machen. 

Eine Freundin ist 1,80 groß und Tänzerin. Ich bin so ca. 1,60 groß. Du kannst dir wahrscheinlich vorstellen, dass ein und dieselbe Bewegung sich in ihrem Körper komplett anders anfühlt als in meinem. Im Studium hatte sie einen Lehrer, der mit 2 m Größe und endlos langen Beinen ihrem Körper wesentlich mehr ähnelte, als der der zierlichen kleinen Ballettlehrerin. 

„Endlich habe ich einen Lehrer, der meinen Körper versteht. Von ihm bekomme ich Hilfestellungen, die mir kein anderer vorher geben konnte.“ 

Körperbewusstsein bei Kindern fördern - Dein Kind hat andere Voraussetzungen als duWill man das Körperbewusstsein bei Kindern fördern, muss man verstehen, dass der Körper deines Kindes ganz anders ist als deiner

Es ist sein Körper. Er ist viel kleiner, hat einen anderen Schwerpunkt, andere Hebelmechanismen, ein anderes Muskelverhältnis und – das wird dir schon aufgefallen sein – eine andere Gelenkigkeit 😉. Auch wenn viele Eltern glauben, dass sie durch ihre Lebenserfahrungen tolle Tipps parat haben, wie man eine Treppe krabbelt, auf einen Baum klettern oder sich auf einen Stuhl setzt, so ist glaube ich deutlich geworden, dass diese Lebenserfahrung deinem Kind nicht so viel bringt, weil es sich in seinem Körper damit nicht verstanden fühlt. Fallen fühlt sich für ein Kind anders an, als für dich. Auch wenn ich mich selbst nichtmehr daran erinnern kann, wenn ich meinen kleinen Sohn beobachte, gehe ich davon aus, dass es für ihn in den meisten Fällen keine schmerzhafte Erfahrung ist. 😉 Das Ziel ist also, dass wir unseren Kindern ermöglichen, ihren eigenen Körper selbst zu verstehen, damit sie die Experten ihres Körpers werden und nicht wir. Das ist Körperbewusstsein und so kann man es auch schon Kleinkinder fördern.

Das Gehirn hat von Geburt an eine Landkarte für den eigenen Körper und ist perfekt dafür ausgerichtet.

Denn Kinder werden mit dem perfekten Expertenwissen über ihrem Körper geboren. Jedes Gehirn hat ein Abbild vom Körper in sich. Es weiß genau, wie groß der Abstand zwischen Fuß und Schulter ist und wie er deswegen seine Balance halten kann, wenn er sich auf die Zehenspitzen stellt um das Curry ganz oben aus dem Gewürzschrank zu holen. Es ist wie eine Maßstabsgetreue Landkarte. Unglaublich ist, dass diese Langkarte schon mit der Geburt des Kindes da ist. Sie bildet den Körper des Kindes bei der Geburt ab und ist gleichzeitig ausgelegt auf das Potential, das in dem Körper steckt. Bei einem großen Kind ist die Landkarte also eine andere, als bei einem kleinen Kind. Und wenn ein Kind mit einem fehlenden Körperteil geboren wird, dann ist die Landkarte auch schon darauf vorbereitet, um vom ersten Tag an und für den Rest seines Lebens sich mit dem Körper OPTIMAL zu bewegen. Denn die Natur strebt immer nach Effizienz – d.h. mit möglichst wenig Kraftaufwand den möglichst größten Effekt zu erzielen. Und diese Kompetenz – dieses Körperbewusstsein ist angeboren. 

Körperbewusstsein bei Kindern fördern - jedes Kind muss sich selbst erfahrenUm das Körperbewusstsein bei Kindern zu fördern, muss jedes Kind seinen Körper inklusive seiner Grenzen selber erfahren

Jedes Kind macht schon im Mutterleib und später auf der Welt erste Erfahrungen in diesem Körper. Körperteile werden bewegt und Grenzen erkundet. Wo ist mein Fuß? Was muss ich tun, um ihn anzufassen? Wie kann ich mich alleine rumrollen? Was muss ich tun, um zu dem Ball zu kommen? Wie kann ich selbst an die Brust meiner Mama kommen, wenn ich Durst habe? Und auf einmal krabbelt das Kind. Um das Körperbewusstsein bei Kindern zu fördern brauchen sie keine Hilfe. Sie lernen es von alleine, ohne dass wir sie auf den Bauch drehen oder Krabbelhilfen anbieten. Auch laufen lernen sie ohne, dass wir sie an den Händen halten.

Und viel wichtiger ist, ihre Bewegungsabläufe wären wesentlich effizienter und gesünder, wenn wir sie das alleine lernen lassen würden.

Denn dann würden sie immer nur den Schritt machen, der für ihre Muskeln und Koordination und Balancefähigkeit passend ist, ohne sich zu übernehmen. Doch der Körper hat diese Balance nur gelernt, weil er vorher ein paar mal umgefallen ist. Mal war der Ausgleich zu viel in die eine Richtung und mal in die andere. Wer schonmal tanzen war und ein paar Pirouetten probiert hat, kennt das Spiel in seiner Höchstform. 😉

Wenn Kinder von Anfang an die Möglichkeit erhalten ihren Körper zu erfahren und zu lernen wo ihre Grenzen sind, dann stoppen sie sehr zuverlässig, wenn sie sich unsicher sind.

Sie sagen dann Bescheid, wenn sie lieber vom Sofa gehoben werden wollen, als selbst hinunter zu klettern. Doch oftmals sagen Eltern in solchen Momenten Dinge wie: „Trau dich ruhig.“ „Hab keine Angst. Probier mal alleine. Ich weiß, dass du das kannst.“ Und damit sagen sie ihrem Kind: „Ich weiß es besser als du. Vertraue nicht auf dein Körpergefühl. Vertraue auf mich.“ Wir machen also genau das Gegenteil, anstatt das Körperbewusstsein bei Kindern zu fördern. Wenn wir die Natur machen lassen und aus dem Weg gehen, erschaffen wir einen viel besseren Entwicklungsraum für unsere Kinder.  Dann ist auch das Hinfallen wichtig, denn es zeigt eine körperliche Grenze auf. Wenn das Kind fallen darf anstatt immer in Sicherheit vor dem Fallen gehalten zu werden, erst dann kann es doch lernen, wann es zu viel Schwung hatte und wird besser darin dies auch in vorher unbekannten Situationen abzuschätzen. Seien wir mal ehrlich: Im ersten Jahr ist die Fallhöhe einfach noch sehr viel geringer und ungefährlicher, um eine Referenz dazu aufzubauen, als wenn ich mein Kind erst mit 6 Jahren diese Erfahrung machen lasse. 

Körperbewusstsein bei Kindern fördern - Das Kind weiß mehr über seinen KörperDein Kind weiß mehr über seinen Körper als du jemals wissen wirst

Daher kann man als Eltern auch schlechter das Körperbewusstsein bei Kindern fördern als die Kinder es selbst tun können.

Dein Kind weiß ganz genau, was es kann und was nicht – solange dieses Wissen nicht versteckt wurde hinter den gut gemeinten Tips und Trainingsversuchen von Erwachsenen. Da es sein Körper ist, ist es von Anfang an der Experte. Lass dein Kind der Experte sein. Vertraue auf das Wissen deines Kindes. Dein Vertrauen ist das größte Geschenk was du ihm machen kannst, damit es sein eigenen Körper erkunden kann und ein Bewusstsein dafür entwickelt. 

5 Übungen, die das Körperbewusstsein deines Kindes fördern 

1. Balancieren

Lass dein Kind Balancieren. Der Körper muss da viel ausgleichen. Das ist toll fürs Körperbewusstsein. Bordsteine, Steine, Baumstämme, auf einem Bein stehen, … in der Natur findest sich viele Möglichkeiten. Dafür braucht es keinen extra Aufgebauten Parkour. 

2. Klettern

Auch Klettermöglichkeiten gibt es schon für die ganz kleinen im Alltag viele und es kann auf wunderbare Weise das Körperbewusstsein bei Kindern fördern. Das Sofa, Treppen, Stühle, Mama und Papa, das Töpfchen, ein Hocker zum Waschbecken,… Später werden es vielleicht Bäume oder Kletterwände. Wenn dein Kind vorher schon viel klettern durfte, wird es das Klettern im Baum gut einschätzen können und nur so weit gehen, wie es sich sicher fühlt. 

3. Schwimmen

Schwimmen ermöglicht nochmal eine ganz neue Körpererfahrung. Wenn man sich ins Wasser legt, treibt der Körper nach oben. Wenn eine Welle kommt, wird er bewegt. Das Wasser ist kühl oder warm. Es gibt Strömungen, Tropfen, Wasserstrahlen. Wenn man hineinfällt geht man unter. Wenn man sich auf verschiedene Weise bewegt, bleibt man oben. Wir empfehlen deswegen, Kindern den Zugang zu Wasser ohne Schwimmhilfen zu ermöglichen. Denn Schwimmhilfen verändern die eigentliche Erfahrung und vermitteln eine Sicherheit, die in Wasser einfach nicht gegeben ist.

Da wir ein Bewusstsein für die Begrenzungen und Möglichkeiten des Körpers wollen, brauchen wir auch im Wasser die Erfahrung, dass das Wasser einen nicht immer trägt. Kinder in Naturvölkern und bei den Wassernomaden lernen schwimmen ohne Schwimmflügel und ohne Schwimmunterricht. Sie lernen es wie laufen durch Erfahrungen. Es ist großartig. Wenn du mehr über diese natürliche Art der Wasserbegleitung wissen möchtest (die Übrigens das Risiko zum Ertrinken enorm reduziert), dann schau mal hier vorbei. Dabei gilt die wichtigste aller Regeln: DU MUSST DEIN KIND IMMER IM AUGE BEHALTEN. EGAL OB ES SCHWIMMFLÜGEL ANHATT ODER NICHT! Und wenn du einmal beobachtet hast, wie sich ein Kind das Schwimmen selbst erarbeitet, dann willst du wahrscheinlich gar nicht wegschauen. Denn es ist so faszinierend, wie es Schritt für Schritt seinen Körper mit Erfahrungen bereichert. Als hätte es einen Plan. Will man das Körperbewusstsein bei Kindern fördern, dann ist Wasser als Element also hervorragend geeignet, damit es seinen Körper selbst erfahren kann. 

4. Raufen

Raufen ist toll. Denn durch Raufen erfahren Kinder ihre Kraft und auch die Grenzen ihrer Kraft. Sie können sich messen. Messen heißt auch, dass sie lernen, ihre Kraft in Relation zu anderen zu setzen. Wer ist stärker, wer ist schwächer? Wie vorsichtig muss ich mit meinem kleinen Bruder sein? Wie wild kann ich dafür mit Mama toben? Vorsicht entsteht aus der Fähigkeit, die eigene Kraft einschätzen und richtig Dosieren zu können. Und das lässt sich toll im Raufen üben. 

5. Hinfallen

Hinfallen ist wichtig. Denn es zeigt: „Ups. Hier hat etwas nicht funktioniert. Das nächste Mal muss es anders gehen.“ So entsteht lernen. Und seinen Körper zu kennen, heißt auch, zu erleben, was nicht geht. 

6. Alleine Essen

Klar. Eine fantastische Koordinationsübung. Und zwar auch für ältere Kinder. Während kleine Kinder üben, ihre Hand alleine zum Mund zu bewegen, können ältere Kinder üben, Messer und Gabel zu bedienen oder sogar Essstäbchen. 

Letztendlich ist alles toll, was mit dem Körper zu tun hat. Singen, tanzen, nicht aufessen müssen, wenn man keinen Hunger mehr hat, Einkäufe reintragen, den Suppentopf umrühren, alleine auf Toilette gehen,… Der Alltag bietet haufenweise Gelegenheiten ein Kind seinen Körper gefahrlos selbst und eigenständig erfahren zu lassen. 

Viel Spaß beim Erkunden