Beobachten Eltern Aggression bei ihrem Kind, ist es für viele erstmal ein Schock. „Wir haben ihm doch etwas ganz anderes vorgelebt.“ „Ich habe doch immer Wert darauf gelegt, dass sie lernt, dass sie anderen nicht wehtun soll.“ „Wo kommt diese Aggression bei meinem Kind auf einmal her?“
Dieser Artikel soll eine kleine Hilfe sein, um das aggressives Verhalten bei Kindern ins rechte Licht zu rücken und Hilfestellungen zu geben, wie man als Eltern damit umgehen kann. Deswegen findest du hier einen Überblick über die Ursachen für Aggressionen, wie sie sich abbauen oder abgewöhnen aber auch wie sie sich vorbeugen lässt in der Erziehung.
Aggression bei Kinder ist kein böswilliges Verhalten
Aggressives Verhalten kommt bei Kindern nicht aus dem nichts. Es ist allerdings auch kein böswilliges Verhalten und kein Zeichen für eine Charakterschwäche oder falsche Erziehung. Es gibt viele Ursachen, die zu aggressivem Verhalten führen können. Doch wie jedes Verhalten hat auch Aggression bei Kindern eine Funktion.
Aggression ist eine Lösungsstrategie, für eine Situation in der keine bessere Strategie zur Verfügung steht.
Was genau die Ursache ist, ist natürlich individuell und auch z.T. altersabhängig. Und genauso wie es viele Ursachen gibt, gibt es natürlich auch viele Ausdrucksformen der Aggressivität bei Kindern:
- Aggression gegen Eltern
- Aggression gegen Kind
- Aggression gegen Gegenstände
- Aggression gegen Geschwister
- ein Kind, das aggressiv gegen die Mutter ist
- Kinder die Hauen und Schlagen
- Kinder die beißen
- Kinder die treten
- Kinder, die aggressiv gegen sich selbst sind
- verbale Aggression
- …
All die Ursachen für aggressives Verhalten bei Kindern sind unbewusste Strategien. Diese Strategien können unterbrochen werden und jedes Kind kann neue Strategien lernen. Doch es ist wichtig zu verstehen, das das Verhalten ein gelerntes Verhalten ist, das bei einem Kind automatisch abläuft. Ein Kind überlegt sich nicht bewusst, Aggression als Manipulationsstrategie einzusetzen. Aggression ist kein böswilliges Verhalten des Kindes.
All die unten beschriebenen Beispiele sind Möglichkeiten, wie ein Kind reagieren kann. Nicht jedes Kind macht Verknüpfungen auf die gleiche Art und Weise. Aber wenn eine Verknüpfung mit aggressivem Verhalten entstanden ist, dann findest du unten eine Auswahl an Ursachen, die es dir erleichtert, herauszufinden, wo du ansetzen kannst.
Ursachen für Aggression bei Kindern
Kurzüberblick
- Verhalten, das sich das Kind abgeschaut hat bei Eltern oder Gleichaltrigen
- Ärger, der keinen Ausdruck gefunden hat
- Überforderung
- Unterforderung
- gelernte Bewältigungsstrategie
- Manipulationsstrategie
- Bestrafungen
- Angst
- vorgeburtliche Prägung
Aggression bei Kindern als abgeschautes Verhalten
Kinder laufen den ganzen Tag durch die Welt mit der Frage: „Wie funktioniert das Leben auf diesem Planeten?“ Und die Antwort bekommen sie u.a. durch das, was sie beobachten.
Stell dir folgendes vor: Ein Kleinkind beobachtet im Kindergarten wie ein älteres Kind durch schlagen ein Sandförmchen bekommt, mit dem es unbedingt spielen wollte. Das Schlagen führt zum Erfolg. Also warum es nicht selbst mal ausprobieren, wenn man mal wieder ein Sandförmchen nicht bekommt, obwohl man so sehr damit spielen möchte?
Abschauen können sich Kinder das Hauen, Schlagen, Beißen auch aus dem Fernsehen. Es reicht manchmal aus, wenn die Eltern nebenbei eine Serie gucken, in der Gewalt zu sehen ist.
Ein Verhalten zu beobachten, lässt die selben Neuronen aktiv werden, wie ein tatsächliches Verhalten. Es kann gut sein, dass ein Kind das schlägt oder beißt, dies nicht aus Aggression tut, sondern um ein beobachtetes Verhalten auszutesten. Einfach weil es das Verhalten woanders beobachtet hat. Besonders Kleinkinder kopieren schnell Verhalten aus anderen Kontexten, sodass Eltern etwas darüber nachdenken dürfen, wo die Aggression bei ihrem Kleinkind herrühren kann.
Da ich letztens geschockt feststellen musste, dass auch der Klaps auf den Hintern immer noch von Eltern als Erziehungsmaßnahme angewandt wird, sei hier der Vollständigkeit halber erwähnt, dass sich ein Kind auch hier schlagen als legitimes Verhalten abschauen kann. Wenn Papa mein Verhalten nicht gefällt, bekomme ich einen Klaps. Was kopiert das Kind also, wenn ihm das Verhalten von jemandem nicht gefällt?
Ärger, der keinen Ausdruck gefunden hat
„Ärger ist eine natürliche Emotion. Er erlaubt dir <<nein danke>> zu sagen. Man muss dabei nicht ausfallend werden und braucht nie einem Anderen Schaden zuzufügen. Wenn Kinder ihrem Ärger Luft machen dürfen, haben sie als Erwachsene ein sehr gesundes Verhältnis dazu und durchlaufen daher im allgemeinen Phasen des Ärgers sehr rasch. (…) Aus ständig unterdrücktem Ärger wird rasende Wut, eine sehr unnatürliche Emotion.“ (Neil Donald Walsh)
Aggression kann aus einer unbändigen Wut enstehen. Und Wut ist Ärger, der keinen Ausdruck gefunden hat. Ärger als Emotion ist ganz natürlich und hat eine wichtige Funktion – nämlich uns in die Handlung zu bringen und uns für Veränderung zu motivieren. Im Gegensatz dazu ist Aggression zerstörerisch. Es entsteht dann, wenn der Ärger keinen Ausdruck finden konnte. Oder wenn der Ärger nicht seine Funktion erfüllen konnte – nämlich eine Veränderung bewirken.
Aggression ist ein Ausdruck der Hilflosigkeit – das Gefühl, dass etwas gehörig nicht passt, sich aber nicht verändern lässt. Diese Aggression kann sowohl gegen sich selbst, als auch gegen die Eltern oder gegen den Staat gerichtet sein.
Kleinkinder dürfen erst noch lernen, ihre Emotionen zu regulieren. Wenn sie eine starke Emotion in sich bemerken, mit der sie nicht umgehen können, suchen sie eine Strategie, die ihnen bei der Bewältigung hilft. Je älter ein Kleinkind wird, desto mehr Emotionen lernt es kennen, mit denen es umgehen lernen muss. Deswegen kann es sein, dass ein Kleinkind mit 2 Jahren auf einmal anfängt, zu hauen oder zu beißen, um seiner Wut Herr zu werden.
Überforderung als Ursache für Aggression bei Kindern
Ein Tag im Leben eines Kindes ist voller neuer Eindrücke. Immer wieder gerät es in Situationen, in denen es sich erst zurecht finden muss. Lernen, ausprobieren und scheitern gehören zum Alltag dazu. Doch für viele Kinder ist das nicht alles, was sie verarbeiten müssen.
Heutzutage kommen Kleinkinder mit 1-2 Jahren in die Krippe. Viele Kinder, viele Stimmen, viele Spielmöglichkeiten können zu Überforderung führen.
Für ältere Kinder geht das Programm nach dem Kindergarten teilweise noch weiter. Da geht es zum Reiten oder zum Fussball oder zum Einkaufen. Dann um 18 Uhr nach Hause und nach dem Abendbrot sofort ins Bett.
Ruhe, Langeweile und Zeit all diese Eindrücke zu verarbeiten sind in so einem Tagesablauf wenig zu finden. Doch jedes Gehirn braucht Zeit, um Informationen zu verarbeiten. Ansonsten entsteht Stress.
Wir Erwachsenen merken bei Überforderung vielleicht, dass wir angespannter reagieren. Wir werfen viel eher mal mit genervten Worten um uns. Oder wir rennen gegen jede verdammte Ecke gegen, die es zu Hause zu finden gibt. Die meisten Erwachsenen haben gelernt, sich so zu kontrollieren, dass der Stress nicht in unbändiger Aggression ausartet.
Doch Kinder müssen erst lernen, wie sie nach einer Überforderung wieder ihre innere Ruhe finden können. Wenn das nicht funktioniert, kann es zu Frust oder auch zu Aggression führen. Jedes Kind geht anders damit um. Und so ist es auch unterschiedlich, ob ein Kind die Aggression gegen die Mutter oder den Vater, gegen Gegenstände, andere Kinder oder gegen sich selbst richtet.
Unterforderung als Ursache für Aggression bei Kindern
Kinder entwickeln sich ziemlich schnell. Manchmal dauert es nur ein paar Tage und schon können sie etwas Neues. Sie lernen deswegen so viel, weil es ihr Ziel ist, mehr Autonomie zu erreichen. Sie wollen groß sein, Dinge alleine können. Wenn ihnen die Möglichkeit dazu nicht gegeben wird, kann der Frust darüber, nicht zeigen zu können was man drauf hat, auch in Aggression umschlagen.
Übrigens sowohl bei Kleinkindern als auch bei Pubertierenden. Denn alle Kinder wollen das Vertrauen, selbstständig etwa tun zu dürfen.
Der Alltag der Eltern wächst oft nicht so schnell mit, wie sich das Kind entwickelt. So kann es leicht passieren, dass die Eltern dem Kind immer noch Dinge abnehmen, die es eigentlich schon längst alleine kann. Ein Kind, dass seine Bedürfnisse noch nicht klar kommunizieren kann, versucht sich auf seine Art mitzuteilen. Doch wenn seine Versuche um mehr Autonomie zu bitten nicht gehört werden, findet es u.U. seinen letzten Ausweg in der Aggression.
Aggressionen bei Kindern als eingeübte Bewältigungsstrategie
Die Idee, einem Kind beizubringen, auf ein Kissen oder ein Boxsack einzuschlagen, damit es seine Aggressionen abbauen kann, ist immer noch weit verbreitet. Die Idee dabei ist, dass sich das Kind abreagieren kann und danach seine Wut los ist. Doch auch hier kann die Wut nicht ihre Funktion entfalten – in eine Handlung bringen, um für sich selbst etwas zu verändern.
Stattdessen lernt das Kind eine ganz einfache Strategie: Wenn ich wütend bin, dann muss ich diese Wut rauslassen und an etwas anderem auslassen, um mich wieder zu beruhigen. Wenn das Kissen oder der Boxsack nicht da sind, ist es vielleicht die Mutter. Das muss auch nicht immer durch schlagen oder hauen passieren. Auch schreien oder verbale Angriffe können eine Generalisierung dieser Strategie sein.
Das Kind haut oder schlägt, weil es gelernt hat, so mit seinen Emotionen umzugehen. Eine Hilfe, die eigentlich dafür sorgen sollte, dass das Kind seine Aggression abbaut, führt nicht zu dem gewünschten Ergebnis, dem Kind das Hauen abzugewöhnen – sondern u.U. eher zum Gegenteil.
Aggression bei Kindern als Manipulationsstrategie
Aggression bei Kindern kann eine Strategie sein, um die Aufmerksamkeit der Eltern oder der Erzieher zu bekommen.
Kinder finden ziemlich schnell heraus, mit welchen Mitteln sie bekommen können, was sie haben wollen. Wenn eines dieser Mittel Aggression ist, dann kann Aggression auch eine Manipultaionsstrategie werden. Das heißt nicht, dass das Kind aus böswilliger Absicht handelt. Es hat nur bisher keine effektivere Strategie gefunden.
Es kann sein, dass ein Kind für aggressives Verhalten besonders viel Aufmerksamkeit bekommt. Die Erzieher im Kindergarten reagieren auf hauen bei Kindern sofort. Eltern sind sofort zur Stelle und nehmen sich viel Zeit, dem Kind zu erklären, warum das so nicht geht. All das ist Aufmerksamkeit. Und jede Form der Aufmerksamkeit – auch negative – verstärkt ein Verhalten.
Wenn das Kind mit hauen, beißen oder schlagen Erfolgserlebnisse hat, weil es sein Ziel damit erreicht, kann sich das Verhalten ebenfalls verstärken.
Es kann sein, das die Eltern immer nachgeben, wenn das Kind Gegenstände durch die Gegend schmeißt, weil es sich nicht durchsetzen konnte. Oder das Kind wird von einem anderen Kind nicht mehr geärgert, weil es sich mit einem Schlag gewährt hat. Vielleicht weiß das Kind auch, dass immer nach Hause gefahren wird, wenn es anfängt um sich zu schlagen und kann sich dann mit dem Verhalten aus einer unangenehmen Situation befreien.
Warum eine Strategie ändern, wenn sie funktioniert? Das Gehirn mag es gerne einfach und energiesparend. Deswegen wird ein Kind, dass Erfolg mit einem aggressiven Verhalten hat, dieses weiter zeigen.
Aggression bei Kindern als Reaktion auf Bestrafungen
Früher war es gang und gäbe Kinder mit Strafen zu manipulieren. Ja genau – Strafen sind eine Manipulationsstrategie der Eltern. Sie sollen das Kind in eine Richtung formen, die von den Eltern vorgegeben wird. Doch heutzutage erzieht man nicht einmal mehr Hunde mit einem Bestrafungssystem. Also hat es wohl auch für die Kinder ausgedient.
Kinder reagieren darauf, wenn sie in eine Richtung gepresst werden, die nicht ihrer eigenen natürlichen Entwicklung entsprich: Manche fügen sich, manche resignieren, manche werden depressiv, manche verschließen sich, manche rebellieren, manche diskutieren und manche werden aggressiv. Sie fühlen sich in ihrer Integrität verletzt, die Strafen ergeben keinen logischen Sinn und kommen oft aus heiterem Himmel. Kinder fühlen sich dann unverstanden. Und wenn es zu oft vorkommt, dass sie sich auf diese Weise verletzt fühlen, kann es sein, dass sie sich mit Aggression zur Wehr setzen. Aggressives Verhalten kann bei Kindern also auch eine Schutzfunktion gegen die Erziehung der Eltern sein. (Hier ein Interview mit Jesper Juul zu seinem Buch „Leitwölfe sein“. Wie kann es gelingen, als Eltern die Führung zu übernehmen, ohne autoritär zu erziehen?)
Angst als Ursache für Aggression bei Kindern
Bestimmt hast du bei Hunden schonmal die Bezeichnung „Angstbeißer“ gehört. Damit werden Hunde beschrieben, die aus Angst direkt in den Angriff gehen, um sich selbst zu schützen. Auch bei Kindern kann aggressives Verhalten ein Weg sein, um ihre Angst zu kompensieren.
Aggression hat dann eine Schutzfunktion. Sie ist der letzte Ausweg, wenn alles andere nicht funktioniert hat.
Vorgeburtliche Prägung als Ursache für Aggressionen bei Kindern
Die Geschichte eines Kindes beginnt nicht erst mit der Geburt. Ein Kind lernt bereits im Mutterleib viel, um sich auf das Leben nach der Geburt vorzubereiten. Dazu gehört auch, unterschiedliche Emotionen wahrnehmen, die das Kind über den veränderten Hormonhaushalt der Mutter mitbekommt. Ebenso erfährt das Kind, wie die Mutter mit diesen Emotionen umgeht. Die Ängste, die Wut, die Unsicherheit, die Überforderung die eine Mutter in der Schwangerschaft erlebt hat, können ein Kind prägen.
Hinzu kommt, dass manche kleinen Babys im Mutterleib große Herausforderungen zu meistern haben. Einige haben bereits so früh die Erfahrung machen müssen, jeden Tag ums Überleben zu kämpfen. Und vielleicht zeigt sich diese Struktur auch weiterhin im Kleinkindalter. Es kann sein, dass ein Kind, dass im Mutterleib viel kämpfen musste, auch später immer wieder das Gefühl hat, ums Überleben kämpfen zu müssen und mit allen Mitteln versucht, den Kampf zu gewinnen: Kampf um Ressourcen, Aufmerksamkeit, Möglichkeiten, Chancen,… Dieser Kampf artet u.U. in Aggression beim Kleinkind aus. Wahrscheinlich ist dieses Verhalten schon sehr früh zu beobachten.
Du siehst, es kann viele unterschiedliche Gründe haben. Es können mehrere Gründe zusammen wirken und es kann noch weitere Gründe geben, die hier nicht aufgelistet sind. Es gibt immer einen Grund. Aggressives Verhalten ist keine Böswilligkeit des Kindes. Nun geht es darum, herauszufinden, wie sich Aggression vorbeugen lässt und wie man dem Kind das aggressive Verhalten wieder abgewöhnen kann.
Wie lässt sich Aggression bei Kindern abgewöhnen
Wenn du dir die Ursachen für Aggression im oberen Abschnitt anschaust, dann finden sich dort gute Ansätze, um aggressives Verhalten einem Kind abzugewöhnen oder schon im Kleinkindalter vorzubeugen.
Selbst vorleben
Natürlich setzt der erste Schritt bei den Eltern an. Wenn die Eltern es vorleben, mit Wut konstruktiv umzugehen und sie nicht an anderen auszulassen, haben Kinder schonmal gute Vorbilder, die ihnen vernünftige Handlungsalternativen zeigen – auch wenn sie es im Kindergarten anderes beobachten.
Aggressives Verhalten ist nicht nur beißen, hauen, schlagen. Auch wütend etwas in die Ecke schmeißen oder im Streit mit verletzenden Worten um sich hauen ist von Aggression geprägt. Jegliche Art, in der Menschen Wut an anderen Menschen auslassen, kann eine Form der Aggression sein. Und wahrscheinlich ist dieses Verhalten bei Erwachsenen weiter verbreitet als ein tatsächliches um sich schlagen. Deswegen sollten Eltern zunächst ihr eigenes Verhalten hinterfragen. Denn Kinder kopieren nicht notwendigerweise ein exaktes Verhalten. Sie übernehmen eine Energie – eine Struktur und füllen diese Struktur mit eigenem Verhalten.
Eltern sind in den ersten Lebensjahren die wichtigsten Bezugspersonen. Sobald irgendwann andere Bezugspersonen wie Erzieher, Lehrer, Gleichaltrige als Vorbilder in das Leben eines Kindes dazu kommen, können Eltern durch ihr Verhalten trotzdem mit gutem Beispiel voran gehen. So hat ein Kind auf jeden Fall schonmal die Wahl zwischen Aggression als Bewältigungsstrategie oder einer konstruktiven Lösungsstrategie.
Kindern den Umgang mit Ärger beibringen
Wie bereits erwähnt hat Ärger eine wichtige Funktion. Es ist eine natürliche Emotion, die uns hilft, im Leben weiter zu kommen und glücklich nach unserem eigenen Sein zu leben. Ja genau: Wir können Ärger nutzen für unser Glück.
Und genau hier gibt es oft ein großes Missverständnis. Wenn davon gesprochen wird, Ärger (viele sagen auch Wut) zuzulassen, geht es nicht darum, tagelang in diesem Gefühl zu baden oder es an anderen Menschen auszulassen. Es geht darum, wahrzunehmen, dass dieser Ärger da ist, in dem Moment zu erkennen, dass er uns mitteilen möchte, dass etwas nicht so läuft, wie es sein sollte und dann eine entsprechende Veränderung einzuleiten.
Das ist eine tolle Struktur, die wir Kindern mit auf den Weg geben können. Auch mit Kleinkindern ist dies möglich. Allerdings sollten da die Gespräche möglichst kurz ausfallen. Lass dein Kind selbst die Lösung finden, dann fällt es ihm am leichtesten und es ist am motiviertesten. Mehr dazu findest du im Abschnitt „Kindern beibringen, Lösungen zu finden und zu formulieren, was sie sich wünschen“.
Kindern auch mal Ruhe gönnen
Wenn der Tagesablauf eines Kindes sehr vollgepackt ist mit vielen Aktivitäten und es keine Ruhephasen gibt, wird das Kind ständig gefordert. Das kann auch schnell in eine Überforderung umkippen. Überall muss es Anforderungen erfüllen, etwas lernen, etwas tun, etwas verarbeiten und es bleibt kaum Zeit einfach nur zu sein und die ganzen neuen Eindrücke mal wirken zu lassen. Deswegen ist es immer gut, in den Alltag genug Ruhephasen einzubauen. Langeweile bei Kindern ist wichtig und kein Zeichen dafür, dass die Eltern versagt haben, weil sie dem Kind nicht genug Anregungen geben. Langeweile ist auch kein Zeichen für Unterforderung. Sie ist wichtig für die Entwicklung und für die Kreativität.
Deswegen sollte es von Anfang an genug Möglichkeiten der Entspannung geben, um Aggressionen beim Kind vorzubeugen. Und nicht erst dann, wenn das Kind durch sein Verhalten zeigt, dass es überfordert ist. Natürlich wird es immer mal wieder Tage geben, an denen ein Kind von Reizen überflutet ist. Denn Eltern können nie zu 100% vorhersehen, wie ein Kind auf eine neue Situation reagiert.
Momente, in denen das Kind keine Anregung von Außen erfährt, sondern sich einfach nur mit sich alleine beschäftigt oder ganz in Ruhe mit den Eltern zusammen ist, haben einen riesen Vorteil. Das Gehirn des Kindes entscheidet selbst, wie schnell es Informationen aufnehmen will. Schule, Fernsehen, Hörspiele, Reitunterricht, Freizeitparks sind so angelegt, dass von Außen entschieden wird, wie schnell neue Informationen dargeboten werden. Das Gehirn muss hinterher kommen.
Deswegen ist Fernsehen gucken oder Hörspiele hören auch nicht ideal zum Entspannen für ein Kind. Besser ist es, ein Buch zu lesen (hier kann genau in dem Tempo gelesen werden, wie das Gehirn die Information verarbeiten kann – besonders, wenn das Kind schon selber liest), malen, in Ruhe spielen, kuscheln, Entspannungsreisen machen und besonders das Kind auch mal in Ruhe sein zu lassen.
Kindern die Möglichkeit geben, sich selbst auszuprobieren
Unsere Gesellschaft liebt Förderprogramme. Alles ist darauf ausgelegt, dass wir von anderen Menschen lernen, wie etwas geht – in möglichst guter pädagogischer Struktur.
Denn unsere Gesellschaft hasst Fehler. Wenn wir selber etwas ausprobieren, ohne vorher zu wissen, wie es geht, geht u.U. auch erstmal etwas schief. Allerdings hat diese Art des Lernens viele große Vorteile: Wir lernen selbstständig Lösungen zu finden und kreativ neue Ideen zu entwickeln.
Heutzutage wird Kindern im Alltag viel abgenommen – auch das Lernen. Wenn sie etwas Neues lernen wollen, sind die Eltern sofort parat und haben eine tolle Idee, wie sie ihrem Kind beibringen können, die Schnürsenken zu binden, eine Flasche aufzuschrauben, die ersten Worte zu sagen,… Selten kann das Kind zeigen – oder zumindest probieren – dass es etwas auch alleine kann (selbst wenn in den Augen der Eltern etwas daneben geht – meine Spezialität waren bunte Röcke mit Ringelstrumpfhose und Gummistiefel als Zeichen dafür, dass ich mich auch sehr gut alleine anziehen kann ;)).
Aber Kinder wollen zeigen, dass sie etwas alleine können. Wenn sie immer wieder und wieder dieser Chance beraubt werden, können sie mit Wut oder Aggression reagieren.
Kindern beibringen, Lösungen zu finden und zu formulieren, was sie sich wünschen
Damit Kinder Aggression nicht als Bewältigungsstrategie lernen (ich muss meine Wut erstmal an irgendetwas oder irgendjemandem auslassen), braucht es eine Alternative, wie sie dieser kraftvollen Energie Herr werden.
Oben haben wir bereits beschrieben, dass es sinnvoll ist, bereits im Stadium des Ärgers anzusetzen und nicht erst, wenn aus dem Ärger regelmäßig eine unbändige Wut wird.
Umgang mit Ärger und Wut
- Formulieren, was richtig Scheiße ist (kurz). Anstatt die Wut an den Familienmitgliedern auszulassen (Du bist so scheiße, ich hasse dich), um sich zu schlagen oder Gegenstände durch die Gegend zu schmeißen. Das Warum ist vollkommen egal.
- Was wünscht du dir stattdessen? Ohne Verneinungen – also positiv formuliert – festlegen, was die Alternative ist. ( („Ich möchte eine 2 in Mathe auf dem Zeugnis“ anstatt „Ich will keine 4 in Mathe“)
- Lösungen finden
Ich bin fest davon überzeugt, dass das auch mit kleinen Kindern bereits funktioniert. Es ist nicht wichtig, dass dir dein Kind in perfektem Deutsch antwortet und du die Antworten komplett nachvollziehen kannst. Lass dein Kind seine eigenen Bilder von seinen Wünschen entwickeln. Du kannst dabei beobachten, ob sich die Gefühlslage deines Kindes verändert, wenn du mit ihm sprichst. Daran kannst du sehen, ob die Bilder und Worte die dein Kleinkind benutzt, ihm helfen oder nicht.
Mit der Zeit kann Punkt 1 immer kürzer werden.
Ich finde es übrigens absolut legitim, bei Punkt 1 auch mal richtig zu Fluchen. Lasst es doch mal raus. Vielleicht fallen euch lustige tolle neue Schimpfworte ein. Solange keine Beleidigungen auf andere Menschen geschmissen werden, ist es doch vollkommen legitim, mal ein ordentliches „Scheiße“ loszuwerden. Irgendwann werden Kinder so oder so die Schimpfworte mitbekommen. Also warum ihnen nicht zeigen, „vernünftig“ damit umzugehen, anstatt sie komplett zu verbieten.
Liebevolle Konsequenz
Um vorzubeugen, dass ein Kind lernt, dass es mit aggressivem Verhalten seine Ziele erreicht, weil die Eltern immer nachgeben, um größeren Schaden zu vermeiden, gibt es nur einen Weg: konsequent bleiben, auch wenn das Kind ein riesen Theater macht.
Das heißt natürlich nicht, das Eltern nicht eingreifen sollen, wenn das Kind beginnt, um sich zu schlagen. Natürlich ist die Regeln Nummer 1, dafür zu sorgen, dass das Kind anderen Menschen keinen Schaden zufügt (das gilt auch für sich selbst). Doch trotzdem müssen nicht gleich alle Pläne über den Haufen geschmissen werden.
Je früher man anfängt, Konsequenz im Alltag zu etablieren, desto leichter wird ein einmal gesagtes „Nein“ auch akzeptiert. Wenn das Kind mit großem Theater bereits oft Erfolg hatte, kann es natürlich sein, dass es erstmal etwas lauter wird, wenn die Eltern auf einmal anfangen, konsequent zu sein. Dann heißt es durchhalten. Es lohnt sich.
Konsequenz soll immer liebevoll sein. Es bedeutet nicht, dem Kind mit Strafen zu drohen und diese dann auch durchzusetzen. Das kann auch ins Gegenteil umschlagen und aggressives Verhalten erst hervorrufen. Es bedeutet Verlässlichkeit. Wenn ihr „Nein“ sagt, heißt es „Nein“ und nicht „Jein“ oder „Ja“. Ein „Ja“ ist allerdings genauso ein klares Ja.
Wenn du sagst, dass du in 5 Minuten da bist, bist du in 5 Minuten da und nicht erst in 20 Minuten. Je mehr dein Kind lernt, dass es sich auf deine Aussagen verlassen kann, desto mehr wird es akzeptieren, wenn du nein sagst.
Natürliche Konsequenzen statt Strafen
Jede Handlung hat natürliche Konsequenzen. Manche Konsequenzen finden wir gut, manche finden wir doof. Manche lassen sich einigermaßen vorhersagen. Manche kommen unvorhergesehen. Ein Kind lernt am besten sein eigenes Verhalten einzuschätzen und selbstständig Entscheidungen zu treffen, wenn es die natürlichen Konsequenzen seiner Handlungen erfährt. Diese Konsequenzen sind im Gegensatz zu Strafen logisch nachvollziehbar und teilweise für die Zukunft vorhersagbar.
Gleichzeitig sind natürliche Konsequenzen keine Verletzung der Integrität des Kindes, im Gegensatz zu Bestrafungen.
Kinder wollen rausfinden, wie ihr Handeln die Umwelt beeinflusst. Was passiert, wenn ich einen Stift fallen lasse? Wie reagiert Mama, wenn ich mit Apfelsaft panche? Ein Kind, das aus natürlichen Konsequenzen lernt, übernimmt viel eher Verantwortung für sein Handeln, anstatt andere verantwortlich zu machen. Dementsprechend wird es weniger Gründe haben, um sich mit Aggression zur Wehr zu setzen.
Den Umgang mit Ängsten lernen
Ich erinnere mich an eine Situation, in der ein Kind panische Angst davor hatte, auf eine Rutsche zu klettern – obwohl er es bereits vorher getan hatte. Der Vater versuchte den Jungen wieder und wieder dazu zu überreden, sich einfach zu überwinden. Die Angst würde dann schon ganz von alleine weggehen. Er müsse sich nur trauen. Es wäre doch gar nicht schlimm. Hinterher wäre er froh, es geschafft zu haben. Als das Kind sich immer noch nicht überzeugen ließ, schnappte er ihn einfach und hob ihn auf die Rutsche, um ihn zu überzeugen. Natürlich wurde die Panik des Jungen noch größer.
Wir lösen keine Angst durch logische Argumente. Wir lösen sie auch nicht, indem wir einfach über sie hinweg gehen. Je öfter ein Kind über seine Angst hinweggeht, desto mehr verliert es den Kontakt zu seiner Intuition.
Da auch die meisten Eltern keine gesunde Strategie haben, mit ihren Ängsten umzugehen, ist dies eine Fähigkeit, die viele neu erlernen dürfen. Angst entsteht, weil man einen negativen Ausgang im Kopf plant. In dem Moment, in dem wir einen positiven Ausgang planen, verschwindet auch die Angst. (Wie das möglich ist, sodass sich tatsächlich nachhaltig das Gefühl von Angst in Zuversicht verändert und wie auch Kinder diese Bewältigungsstrategie ganz spielerisch lernen, wird in unserem Kurs „Das große 1×1 der Kindererziehung“ ausführlich beschrieben.)
Vorgeburtliche Prägung nutzen, um dem Kind innere Ruhe zu schenken
Du kannst bereits in deiner Schwangerschaft deinem Kind viel Ruhe, innere Gelassenheit und Bewältigungsstrategien mitgeben. Das geht ganz einfach, indem du dich um dich selbst kümmerst. Je mehr innere Ruhe du in dir findest, desto mehr Entspannung und gesunde Entwicklungsmöglichkeiten gibst du deinem Kind mit. Eine gesunde Lebensweise in der Schwangerschaft ist immer ganzheitlich zu sehen. Das heißt neben Ernährung und Bewegung gehört auch die Pflege des Geistes dazu.
Ganz viele Strategien, was du in der Schwangerschaft tun kannst und Informationen, was dein Kind in der Schwangerschaft schon alles lernt, findest du auch in unserem Hörbuch für Schwangere. Natürlich immer mit Aufgaben für die leichte Umsetzung dazu. Du kannst dir also eine Coachingsession mit uns zu dir nach Hause holen – oder in dein Auto, aufs Fahrrad, in den Wald. (Hier findest du alles über unser Hörbuch für Schwangere). In der Schwangerschaft lässt sich viel mehr vorbeugen. Deswegen ist es so wichtig, sie bewusst zu leben und zu gestalten.
Was kannst du tun, wenn du Aggression bei deinem Kind beobachtest?
Die Frage aller Fragen ist jetzt: Was ist die richtige Hilfe für aggressive Kinder, damit sie aus diesem Automatismus herauskommen können? Den einen perfekten Weg gibt es wie immer in der Kindererziehung nicht. Jedes Kind ist individuell. Eltern kennen ihr Kind am besten und so ist es oft am sinnvollsten, wenn die Lösung aus der Familie selbst kommt. Trotzdem ist es natürlich möglich, sich ein paar Anregungen zu holen. Wir haben hier eine kleine Hilfe für Eltern mit aggressiven Kindern zusammengestellt. Natürlich immer mit dem Fokus darauf, wie ein Kind seit seinem ersten Lebenstag auf ganz natürliche Weise lernt.
Hier eine kleine Soforthilfe bei aggressiven Kindern
- In dem Moment, in dem das Kind aggressiv wird, keine Erziehungsmaßnahmen probieren. Natürlich ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass nichts und niemand zu Schaden kommt. Also ist es legitim, einzugreifen, wenn dein Kind aggressiv gegen ein anderes Kind ist oder Aggressionen gegen die Eltern zeigt. Greife ein voller Ruhe. Wenn du selbst aggressiv und ärgerlich bist, reagierst du logischer Weise mit der gleichen Struktur, wie dein Kind.
- Wenn sich alles wieder beruhigt hat, überlege, aus welchem Grund dein Kind so reagiert. Für was ist die Aggression eine Lösung?
- Fang an kleine Dinge zu verändern um deinem Kind zu helfen, statt der Aggression, andere Optionen zu finden. Und setze mit den Veränderungen in Situationen an, in denen die Aggression noch nicht ausgebrochen ist.
Zu 1: Wenn dein Kind gerade mitten in einem Anfall ist, macht es keinen Sinn, es erziehen zu wollen. Die Anspannung ist zu groß. Dein Kind ist nicht aufnahmefähig und neue Informationen werden nicht zu ihm durchdringen und keinen Lerneffekt bewirken. Zum Lernen müssen wir entspannt sein. Erst dann sind die Nervenbahnen im Gehirn offen, um neue Verknüpfungen zu bauen. Deswegen gibt es nur 2 Möglichkeiten: Entweder sorge dafür, dass sich der State deines Kindes schnell verändert. Überrasche es, tu etwas, was das Muster unterbricht. Oder warte ab, bis dein Kind von selbst wieder zur Ruhe gekommen ist.
Zu 2: Eltern kennen ihr Kind am besten. Sie kennen den Tagesablauf und können mit etwas Entspannung und Intuition herausfinden, wie sie Hilfe für ihr aggressives Kind geben können.
Zu 3: Hier ein paar Veränderungsideen: Wenn sich die Eltern verändern, werden sich auch die Kinder verändern.
- Mehr Ruhe im Alltag
- Möglichkeiten für das Kind schaffen, selbstständig etwas zu tun, ohne das Eingreifen der Eltern
- Mehr Konsequenz und Verlässlichkeit
- Öfter in natürliche Konsequenzen vertrauen anstatt zu strafen
- Vertrauen in das Kind
- Klare Kommunikation
- Deinem Kind den Umgang mit Ängsten beibringen
- Deine eigenen Strukturen auflösen, die dein Kind u.U. in der Schwangerschaft geprägt haben. Es ist magisch, wie sich diese Veränderung bei dir auch bei deinem Kind auswirken kann.
- Einen Homöopathen, guten Coach, Arzt, Therapeuten oder Energieheiler kontaktieren, der euch helfen kann, alte Strukturen aus der Schwangerschaft zu heilen.
Ernährung kann in Bezug auf Aggression bei Kindern eine Rolle spielen
Ist dein Kind häufig sehr emotionsgeladen oder sogar aggressiv, kannst du mit einer Umstellung der Ernährung vielleicht Wunder bewirken. Studien belegen, dass der Verzehr von industriell verarbeiteten Lebensmitteln sowie von Zucker Menschen in ihrer Handlung und ihren Emotionen stark beeinflussen.
Kinder reagieren sehr stark auch auf die Emotionen wichtiger Bezugspersonen. So kann auch deine Reaktion Auslöser für aggressives Verhalten deines Kindes sein. In Bezug auf die Auswahl der Lebensmittel kannst du also ebenfalls bei dir schauen, was du evtl. verändern kannst, um weniger emotional angespannt oder vielleicht sogar aggressiv im Alltag zu reagieren. Ernährung hat mehr Einfluss als viele vermuten und kann ein guter Hebel sein, will man sein Familienleben friedvoller gestalten.
Hier findest du eine Dokumentation von Arte über den Einfluss der Ernährung. „Unser Hirn isst was es isst“ zeigt sehr anschaulich, was der Ernährung für eine Bedeutung zukommen sollte.
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